Übungen gegen Inkontinenz Icon

Die goldene Mitte zu finden ist ein Ratschlag, den viele von uns schon einmal im Zusammenhang mit alltäglichem Stress zu hören bekommen haben. Wir sollen in uns gehen, auf unseren Körper und besonders auf unser Bauchgefühl hören.

Diese goldene Mitte ist jedoch nicht ganz so sprichwörtlich zu nehmen, wie wir sie häufig verwenden. Sie ist Voraussetzung und Helferin gegen Rückenschmerzen, unterstützt die inneren Organe, sichert das sexuelle Empfinden und hilft mit bestimmten Übungen gegen Inkontinenz. Damit gemeint ist der sehr reale Beckenboden.

In unserem Ratgeber zeigen wir Ihnen, welche Funktionen der Beckenboden erfüllt und warum er gerade im Rahmen der Inkontinenzvorsorge so wichtig ist. Konkrete Übungen gegen Inkontinenz sollen Ihnen dabei helfen, Ihren Beckenboden zu stärken und wieder einen aktiven Alltag mit einem sicheren Gefühl zu kombinieren.

Ein komplexes Gerüst – der Aufbau des Beckenbodens

Um zu verstehen, warum Beckenboden-Übungen eine so große Rolle gegen entstehende Inkontinenz spielen, ist es wichtig, zunächst den Platz des Beckenbodens im körperlichen Gesamtgefüge zu entdecken.

Das Becken als unser Stützpfeiler

Das menschliche Becken als erster Orientierungspunkt hat zwei Hauptaufgaben: Zum einen dient es als Träger für den Torso und die Bauchorgane, zum anderen stützt es die Beine. Aufgrund seiner besonderen Umgestaltung ist das Becken beim Menschen deutlich anfälliger für Krankheiten und Verletzungen als bei verwandten Tierarten. Insofern wird also auf das Becken eine Doppelbelastung sowohl von oben als auch von unten ausgeübt.

Kraftvolles Arbeiten aus dem Bauch heraus

Als Beckengürtel ist der Beckenbereich fest mit dem Rumpf verknüpft. Die eigentliche Beckenboden-Muskulatur besteht aus einem vorderen und einem hinteren Beckenbodenteil sowie einer zusätzlichen Schwellkörper- und Schließmuskelschicht. Die Beckenbodenmuskulatur als Ganzes dient als Schale für unsere inneren Organe und bewegt sich synchron zum Zwerchfell, ist also auch am Atemprozess beteiligt.

Ein aktiver Beckenboden kennt vor allem drei Aufgaben:

  • Anspannung zur Sicherung der Kontinenz: Stellen Sie sich die einzelnen Muskeln am besten wie den Kordelzug eines Stoffbeutels vor. Die Schnürmuskeln umschließen dabei den Darm und die Harnröhre. Bei kontinenten Menschen lassen sie sich bewusst und kraftvoll zusammenziehen, um den Toilettengang herauszuzögern.
  • Entspannung zur Ausscheidung & für sexuelle Aktivität: Hierbei werden die Schnürmuskeln gelockert, sodass es überhaupt zum Ausscheiden von Harn und Stuhl kommen kann. Eine Entspannung ist außerdem vonnöten, um den Geschlechtsverkehr zu ermöglichen.
  • Reflektorisches Entgegenhalten: Alltägliche Belastungen können klein oder groß ausfallen. Einfache Reflexe wie Husten oder Niesen, aber auch Hüpfen oder das Tragen von schweren Dingen werden vom Beckenboden konstant unterstützt. Diese Tätigkeiten stellen daher eine Basis für die Entwicklung von spezifischen Übungen gegen Inkontinenz dar.

Was den Beckenboden schwächt und warum Frauen häufiger betroffen sind

Der menschliche Beckenboden besitzt mindestens zwei Schwachstellen: den Harnröhrenausgang sowie den Darmausgang. Eine mögliche dritte besteht in der Scheide. An diesen verschiedenen Punkten können die Muskeln überanstrengt oder auch so geschwächt werden, dass sie nur eingeschränkt oder gar nicht mehr funktionieren.

Generelle Altersprozesse und Nachwirkungen von schweren Operationen können für ein allmähliches Nachlassen verantwortlich sein, aber auch übermäßiges Sitzen wirkt sich auf Dauer nachteilig auf den Beckenboden aus. Bei Männern zählen zum Beispiel Strahlentherapien, operative Maßnahmen gegen Prostatakrebs oder gutartige Prostatavergrößerungen dazu. Bei Frauen ist dagegen in der Regel die Menopause verantwortlich. Auch Faktoren wie ein genetisch bedingt schwaches Bindegewebe, chronische Überbeanspruchung der Beckenbodenmuskulatur oder chronisches Husten/Asthma kommen in Betracht.

Dass Beckenboden-Übungen gegen Inkontinenz ein häufiges Thema in Mutterschafts-Ratgebern sind, liegt daran, dass vor allem für Frauen ein kräftiger Beckenboden von sehr hoher Relevanz ist. Frauen neigen anders als Männer eher dazu, mit der Brust anstatt mit dem Bauch zu atmen. Diese Technik ist zwar effizienter, weil sie relativ wenig Luft an die Umwelt abgibt, sie aktiviert jedoch kaum den Beckenboden. Er muss außerdem stark genug sein, um die zunehmenden Belastungen einer Schwangerschaft auszuhalten.

Die Geburt als wahre Belastungsprobe

Während einer natürlichen Geburt leistet der Beckenboden regelrechte Schwerstarbeit – obwohl spezielle Hormone dessen Muskelschichten zusätzlich „aufweichen“, um dem Fötus den Weg zu erleichtern, ergeben sich in nicht wenigen Fällen Traumata für die betreffenden Muskeln. Kombinierte Beckenbodenschäden sind als Folge einer natürlichen Geburt doppelt so häufig als nach einem Kaiserschnitt. Beckenboden-Übungen gegen Inkontinenz sind deshalb ein zentraler Bestandteil der Rückbildungsgymnastik.

Erstes Schwächeln: Woran Sie erkennen, dass Ihr Beckenboden nachlässt

Das offensichtlichste Zeichen für einen schwächer werdenden Beckenboden ist eine auftretende Harninkontinenz oder Stressinkontinenz.

Weitere Symptome können sein:

  • Schmerzen beim Wasserlassen oder im Beckenbereich
  • Unbegründetes Völlegefühl in Blase oder Darm
  • Nachlassende Darmkontrolle
  • Beckenorganprolaps
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und/oder Orgasmus
  • Rätselhafte Schmerzen in der Hüfte oder im unteren Rücken
  • Leisten- oder Hodenschmerzen

Es ist jedoch niemals zu früh oder zu spät, um den Beckenboden mit Übungen gegen Inkontinenz zu kräftigen. Viele Inkontinenz-Patienten erleben durch das regelmäßige Trainieren eine spürbare Verbesserung ihrer Beschwerden. Auch vorbeugend verbessert ein trainierter Beckenboden nicht nur Ihre Kontinenz, sondern auch Ihre Körperhaltung, Ihr sexuelles Empfinden, Ihre sportliche Belastbarkeit und vieles mehr.

Sie wollen mehr zum Thema Inkontinenz erfahren? Dann besuchen Sie unseren allgemeinen Inkontinenz-Ratgeber, der Ihnen wichtige Fragen beantwortet sowie Hilfestellungen und Tipps gibt.

Wie Sie Ihren Beckenboden wieder in Form bringen

Jeder Mensch ist in der Lage, Beckenboden-Übungen auszuüben, selbst wenn er nicht vordergründig gegen Inkontinenz trainiert. Dafür ist es jedoch zunächst wichtig, überhaupt den eigenen Beckenboden zu finden. Viele verwechseln diese Muskulatur nämlich mit den eng angrenzenden Bauch-, Gesäß- oder Vaginalmuskulaturen.

Erster Schritt: Den Beckenboden selbständig finden

Am einfachsten lässt sich der Beckenboden durch das mentale Einziehen von Körperpunkten erspüren. Ziehen Sie Ihren Nabel, Anus und Penis oder Scheide ein, ohne andere Körperteile zu bewegen, das führt zu einer sanften Anhebung und Anspannung des Beckenbodens. Wer mit zwei Fingern den sogenannten Damm, also die Trennwand zwischen Rektum und Hodensack bzw. Scheide ertastet, spürt bei korrekter Aktivierung die Bewegung der Beckenbodenmuskeln.

Übungen für die Beckenbodenmuskeln gegen Inkontinenz

Im Folgenden zeigen wir Ihnen einige ausgewählte Beckenboden-Übungen für Einsteiger/innen, die Sie auch gegen Inkontinenzbeschwerden praktizieren können. Die Bandbreite der möglichen Übungen ist sehr groß – wenn Ihnen eine zum Beispiel aufgrund bestimmter körperlicher Beschwerden nicht möglich ist, probieren Sie eine leicht abgeänderte Variation aus.

Sie können Ihr Training auch digital unterstützen, zum Beispiel mit der pelvina-App, welche als Online-Kurs wissenschaftliche Fakten, praktische Übungen und sinnvolle Alltagstipps enthält.

Wir empfehlen für alle Übungen am Boden eine Unterlage, die Sie vor Verkühlungen schützt und einigen Komfort bietet.  Darüber hinaus ist es für manche Übungen hilfreich Hilfsmittel hinzuzunehmen, wie zum Beispiel kleine Bälle.

1. Beckenboden-Übung gegen Inkontinenz: Vierfüßlerstand
  • Begeben Sie sich auf Ihre Knie und stützen Sie sich mit den Händen ab. Ihre Knie und Hüften sowie Ihre Hände und Schultern sollten sich dabei jeweils auf senkrechten Linien im 90°-Winkel zum Boden befinden.
  • Spannen Sie den Beckenboden an. Heben Sie anschließend das linke Bein nach hinten und den rechten Arm nach vorn an. Arm, Bein und Oberkörper sollten auf einer gedachten, geraden Linie liegen.
  • Strecken Sie Ihren Körper und halten Sie die Position für etwa 6-8 Sekunden. Senken Sie langsam anschließend wieder Arm und Bein und führen Sie die Übung auf der anderen Seite aus.
  • Wiederholen Sie die Übung 10x.
Vierfüßlerstand-Übung gegen Inkontinenz
2. Beckenboden-Übung gegen Inkontinenz: Brücke
  • Begeben Sie sich in eine liegende Position und stellen Sie die Füße etwa in Hüftbreite auf. Ihre Arme liegen entspannt parallel zum Körper.
  • Spannen Sie den Beckenboden an. Heben Sie gleichzeitig Ihr Gesäß sowie den unteren Rücken an (die Schulterblätter verbleiben am Boden). Achten Sie darauf, Ihre Gesäßmuskeln lockerzulassen, um den Beckenboden optimal zu fordern.
  • Alternativ können Sie auch die Füße eng nebeneinander aufstellen und die Knie bei dem Abheben von Rücken und Gesäß zusammenpressen.
  • Halten Sie die Position möglichst für einige Sekunden. Begeben Sie sich anschließend gemächlich in die Ausgangsposition.
  • Wiederholen Sie die Übung 10x.
Brücke als Übung gegen Inkontinenz
3. Beckenboden-Übung gegen Inkontinenz: Alltagsübung
Alltags-Übung gegen Inkontinenz, erste Ansicht
Alltags-Übung gegen Inkontinenz, zweite Ansicht
  • Stellen Sie sich aufrecht hin und Ihre Beine etwa hüftbreit auf.
  • Spannen Sie den Beckenboden an und husten Sie. Entspannen Sie Ihren Beckenboden. Wiederholen Sie diesen Vorgang mehrmals, während Sie versuchen, einen Hocker oder etwas Vergleichbares anzuheben. Wichtig ist dabei Folgendes: Stellen Sie sich dicht an den Gegenstand, beugen Sie Hüften und Knie, aktivieren Sie wieder Ihren Beckenboden und halten Sie diese Spannung und heben Sie mit sich streckenden Beinen den Gegenstand an. Stellen Sie Ihn anschließend wieder ab.
  • Wiederholen Sie diese Übung 10x.

4. Beckenboden-Übung gegen Inkontinenz: Ballübung
  • Setzen Sie sich sanft auf einen Tennisball oder ein vergleichbares Modell wie den Blackroll Ball 08. Alternativ können Sie auch ein längs zusammengerolltes Handtuch verwenden. Der verwendete Gegenstand sollte Ihren Schließmuskel berühren.
  • Aktivieren Sie Ihren Beckenboden, indem Sie sich vorstellen, Ihren Damm anzuheben. Es sollte nun über den Ball spürbar werden, wie Ihre Muskeln aktiv werden.
Ball-Übung gegen Inkontinenz
5. Beckenboden-Übung gegen Inkontinenz: Bein anheben
  • Stehen Sie in aufrechter Position mit etwa schulterbreit geöffneten Beinen. Strecken Sie Ihre Arme beidseitig waagerecht aus und beugen Sie das rechte Bein leicht, um das Gleichgewicht besser zu halten. Ziehen Sie anschließend das linke Bein gebeugt in die Richtung Ihrer Brust. Ihr Beckenboden wird durch diese Übung automatisch aktiviert.
  • Bleiben Sie für einige Sekunden in dieser Position und wechseln Sie nun auf die andere Seite.
Beine-heben-Übung gegen Inkontinenz

Stärken Sie Ihre innere Mitte mit Beckenboden-Übungen und wirken Sie Ihrer Inkontinenz entgegen

Der Beckenboden ist die Stütze für Ihren gesamten Körper und ein Freund, der es Ihnen dankt, wenn Sie ihn frühzeitig bemerken und kräftigen. Scheuen Sie sich nicht, über den Beckenboden zu sprechen und seine Bedürfnisse wahrzunehmen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg mit den vorgestellten Übungen gegen Inkontinenz!

Häufig gestellte Fragen

Wann sollte ich mit dem Beckenbodentraining beginnen?

Sie können in jedem Alter anfangen, Ihren Beckenboden zu trainieren. Eine bewusste Wahrnehmung des Beckenbodens zahlt sich besonders aus, wenn Sie tagtäglich viel sitzen, schwere Lasten anheben oder gerade eine Schwangerschaft erleben. Nachdem Beckenboden-Beschwerden bereits aufgetreten sind, verschaffen spezielle Übungen zwar Abhilfe, mit einem rechtzeitigen Training lassen sich jedoch einige Schäden bereits vermeiden.

Welche Sportarten eignen sich für das Beckenbodentraining?

Eine ausgewogene Mischung aus Beanspruchung und Entspannung gibt es in den Sportarten Pilates und Yoga. Auch Sportarten wie Schwimmen und Radfahren belasten den Beckenboden nur gering, Trampolinspringen, Tennis oder Laufen wiederum beanspruchen den Beckenboden deutlich stärker, weshalb sie bei einem schwachen Beckenboden zunächst vermieden werden sollten.

Sind Kegel die richtigen Geräte für mich?

Kegel sind abgerundete Miniaturgewichte, die meist bei Frauen eingesetzt werden. Dabei wird der Kegel in die Scheide eingeführt; durch sein Eigengewicht muss die Beckenbodenmuskulatur aktiv dagegen arbeiten, um ihn an Ort und Stelle zu halten. Bei vielen Rückbildungs- und Sexualkursen erfreuen sich die handlichen Kegel einiger Beliebtheit. Gynäkologen sehen den Einsatz von Kegeln eher kritisch, da sie meistens recht glatt und zu schwer sind, sodass es wiederum zu einer Überbeanspruchung der Beckenbodenmuskeln kommt.

Wie häufig sollte man Beckenboden-Übungen durchführen?

2 bis 3 Übungsdurchgänge am Tag reichen vollkommen aus. Sie können dank der versteckten Muskulatur sehr diskret im Sitzen, Stehen oder Liegen trainieren, ob nun auf Arbeit oder zuhause.

Wie lange dauert ein Beckenbodentraining?

Das hängt ganz von Ihrem Beckenboden ab. Manche Personen sind mit ihrem Beckenboden bereits nach wenigen Wochen, einige erst nach ein paar Monaten zufrieden. Entscheidend hierfür ist das regelmäßige Training. Als grobe Orientierung gilt: Wer mit voller Blase hüpfen kann und dabei keinen Urin verliert, besitzt (wieder) einen trainierten Beckenboden.